Kamilluskreuz Die Kamillianische Familie

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10. Kapitel

Der hl. Kamillus und die Humanisierung des Krankendienstes in den Spitälern

Die Reform des Begriffs „der Kranke“

Die Situation der Spitäler am Ende des 6. Jahrhunderts ließ sehr viel zu wünschen übrig. Die Behandlung war schlecht. Es gab viele Mängel und wenig Zuwendung. Die Kranken entbehrten das Notwendigste und litten unter Isolierung und Vernachlässigung, was die körperliche Behandlung wie auch die seelsorgliche Betreuung betraf.

Kamillus fühlte sich veranlasst, nach einer Reform zu suchen, für die er sich persönlich einsetzte und für die er auch das Interesse der Gesellschaft seiner Zeit gewann. Aus diesem Grund kann man ihn in jeder Hinsicht als einen Reformator in der Spitalsbehandlung bezeichnen. Es handelte sich um eine Erneuerung, die geeignet ist, auch unserer Gesellschaft grundlegende Prinzipien und Handlungsweisen für eine Reform der Spitäler und des Krankendienstes an die Hand zu geben, die den wesentlichen Forderungen des Evangeliums entspricht. Sein Dienst wurde an unterschiedliche Situationen angepasst und hatte deshalb je nach den konkreten Umständen verschiedene Zielsetzungen, die er mit Weisheit und Entschlusskraft verfolgte: „Den Armen und Kranken, die Kinder Gottes und meine Brüder und Schwestern sind, zu dienen.“

Nach seiner Bekehrung sah er in jedem Kranken vor allem ein Geschöpf Gottes, aber oft nannte er sie auch emphatisch seine Brüder und Schwestern. Für Kamillus ist der Kranke zunächst ein Mensch, ein konkreter Mensch, ein ins Unglück geratener Mensch, arm an materiellen Gütern, vor allem arm an Gesundheit. Die Rechte des Kranken sind für ihn nicht abstrakte Prinzipien, die in Verordnungen und Gesetzen festgeschrieben sind, sondern vielmehr dringende Herausforderungen, die von den Mitmenschen konkrete Antworten erfordern.

Immer wieder sagte er, die Kranken seien „die Person Christi selbst“, „der Augapfel und das Herz Gottes“ und „meine Herren und meine Gebieter“. Auch denen, die ihn beschimpften oder ablehnten, entgegnete er wiederholt: „Du kannst mir befehlen, was du willst ...“

Die christliche Wertschätzung eines Menschen wird nicht weniger, wenn einer krank ist, sondern reicher durch eine erweiterte Sicht, denn jeder Mensch, auch in seiner Armseligkeit und Krankheit, bewahrt seine persönliche einzigartige und unantastbare Würde.

Die Reform des Krankendienstes

Gewiss widmete sich Kamillus dem ganzen umfassenden Menschen und nicht ausschließlich seiner Krankheit. Aus diesem Grund und auch aufgrund seiner eigenen Erfahrung verstand er, dass der Kranke seine ganze Person in das Spital mitbringt, ohne von ihr und von seiner Persönlichkeit etwas draußen zu lassen. Er trägt seine schmutzigen und zerlumpten Kleider, aber bringt auch seine freie und unsterbliche Seele mit. Das war für die damalige Zeit eine Erkenntnis von großer Bedeutung, wo die klassische Aufteilung in die Bedürfnisse des Leibes und die der Seele vorherrschte. Wegen dieser seiner Überzeugung entstand in Kamillus der Wunsch, beides gleichzeitig zu heilen.

Betont werden muss die Ganzheitlichkeit des Dienstes, den Kamillus für den kranken Menschen einrichtete, auch im Bereich der körperlichen Krankenpflege, für den er konkrete Regeln aufstellte und dabei alle persönlichen Bedürfnisse berücksichtigte. Kamillus wollte sich nicht auf die klassischen klinischen Methoden beschränken, sondern eben auch auf die ganz persönlichen Bedürfnisse des Kranken eingehen, die von den Krankenpflegern damals wie heute sehr oft vernachlässigt wurden.

Wenn also Kamillus zum Beispiel empfiehlt, sich um die Pflege der Mundhöhle und der Zähne zu bemühen, wenn er das Bettenmachen lehrt, wenn er einer Spitalsleitung schreibt, dass man für die Patienten gegen die Kälte Wollsachen besorgen soll, wenn er sie auffordert, für eine hygienische Umgebung zu sorgen, dann ist klar, dass er den Kranken ein behagliches Haus und eine ordentliche und familiäre Betreuung anbieten will. Ihre Leiden sollen dadurch erleichtert werden und sie sich nicht wie abgenützte und weggeworfene Objekte fühlen. In jedem Sinne – menschlich und christlich – soll das Spital ein Haus der „Gastfreundschaft“ sein.

In seiner Stellung war es ihm möglich zu verfolgen, wie die Dinge standen: Ärzte ohne entsprechende Ausbildung, die mehr interessiert waren, herumzudoktern als zu heilen. Es wurden Angestellte und Krankenpfleger aufgenommen, die faul und arbeitsscheu waren, gewöhnliche oder verbrecherische Gefängnisinsassen, die ihre Strafe noch abbüssen mussten. Sie zeichneten sich durch Nachlässigkeit und Geldgier aus und waren imstande, unruhige Kranken ans Bett zu fesseln und Sterbende noch zu Lebzeiten in die Leichenkammer zu verfrachten. Hygiene und Sauberkeit waren unbekannt und fehlten, so dass Flöhe, Wanzen, Läuse und sogar Würmer über die Kranken herfielen. Die Kranken wurden misshandelt und beschimpft oder wie Hunde alleingelassen.

Die Reform des Personals

Kamillus hatte das Glück, auch ehrliche und mitfühlende Krankenpfleger vorzufinden, außerdem auch Freiwillige, die zum Spital kamen, um zu festgesetzten Zeiten den Kranken beim Essen zu helfen. Kamillus lud sie ein und begann damit, seine Inspiration, die er am Vorabend des Festes der Aufnahme Mari-ens in den Himmel im Jahre 1582 gehabt hatte, zu verwirklichen, nämlich rechtschaffene und hochherzige Männer um sich zu sammeln, die sich der Kranken nicht wegen des Geldes annahmen, sondern aus Liebe zu Gott.

Er als erster machte den anderen deutlich, was geändert werden musste. Er gab praktischen Unterricht in der Pflege und fasste diesen dann zusammen in einigen schriftlichen Regeln, auch wenn er kein Wissenschaftler war. Dieses kostbare Dokument ist uns erhalten geblieben: „Regeln und konkrete Weisen, um den Kranken in den Spitälern gut zu dienen – Regole e maniere concrete per ben servire i malati negli ospedali.“

Es handelt sich um 25 praktische und kurzgefasste Artikel, eine Sammlung von Vorschriften für den Berufsstand, die auf das Jahr 1584 zurückgeht. Es sind sehr einfache Regeln, die einem einzigen Zweck dienen: „Den Kranken mit aller Liebe zu dienen, sowohl was den Leib wie auch was die Seele betrifft, weil wir wünschen, dass wir mit der Gnade Gottes allen Kranken beistehen wie eine Mutter, die ihr einziges krankes Kind pflegt.“ Kamillus schreibt außerdem: „Ein jeder trachte mit aller Sorgfalt darauf, die armen Kranken nicht schlecht zu behandeln, sei es mit Schimpfwörtern und ähnlichen Verhaltensweisen, sondern man muss sie mit Liebe und Sanftmut behandeln und soll sich an die Worte unseres Herrn erinnern: Alles was ihr diesen meinen Kleinsten getan habt, habt ihr mir getan, daher behandle jeder den Armen, als handle es sich um die Person des Herrn.“

Die Reform außerhalb des Spitals – die freiwilligen Helfer

Der vierte Aspekt der Reform des hl. Kamillus muss zusammen mit dem Entschluss gesehen werden, die Betreuung auch auf die Kranken außerhalb des Spitals auszuweiten. Damit verfolgte er zwei Ziele: die Betreuung der Kranken und die Ausbildung derjenigen, die sie pflegen.

Aber Kamillus war bereits seit den Anfängen seiner Reform, in der Zeit der „Kongregation vom Allerheiligsten Kreuz“, noch bevor er den Orden gegründet hatte, auch daran interessiert, Freiwillige zu finden und sie zu motivieren. Er versammelte damals schon Männer und Frauen, die gewillt waren, den Schwierigkeiten und Mängeln des Beistands in den Spitälern und in den Armenvierteln der Stadt zu begegnen.

Vor allem mussten die Gruppen der Freiwilligen genügend vorbereitet sein und bereit sein für eine umfassende Zusammenarbeit, wie dies immer in der Tradition der Kirche gefordert wurde, die auf dem Gebiet des Volontariats im Lauf der Geschichte Großes und Anerkennenswertes geleistet hat.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Kamillus eine Reform plante und verwirklichte mit der Absicht, die ursprüngliche Würde des Menschen wiederherzustellen, den Kranken in einer umfassenden und ganzheitlichen Form beizustehen, das Spitalspersonal auszubilden und die Mitwirkung von freiwilligen Laien und der ganzen Kirche zu fördern.

Zur Diskussion

Welche Ähnlichkeiten bestehen zwischen der Situation der Spitäler heute und damals, zu Zeiten des Kamillus?

Aus der Heiligen Schrift

„Einige Zeit später war ein Fest der Juden und Jesus ging hinauf nach Jerusalem. In Jerusalem gibt es beim Schaftor einen Teich, zu dem fünf Säulenhallen gehören; dieser Teich heißt auf Hebräisch Betesda. In diesen Hallen lagen viele Kranke, darunter Blinde, Lahme und Verkrüppelte. Dort lag auch ein Mann, der schon achtunddreißig Jahre krank war. Als Jesus ihn dort liegen sah und erkannte, dass er schon lange krank war, fragte er ihn: Willst du gesund werden? Der Kranke antwortete ihm: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich, sobald das Wasser aufwallt, in den Teich trägt. Während ich mich hinschleppe, steigt schon ein anderer vor mir hinein. Da sagte Jesus zu ihm: Steh auf, nimm deine Bahre und geh! Sofort wurde der Mann gesund, nahm seine Bahre und ging. Dieser Tag war aber ein Sabbat“ (Joh 5, 1–9).

Zum Nachdenken

Welche Art von Gesundheit schenkt Jesus dem kranken Menschen?

Aus dem Leben des hl. Kamillus

„Ich arbeite im Weinberg des Herrn – so sagte er einige Male im Spital –, hier finde ich meine ganze Zufriedenheit und mein ganzes Glück. Ich wünsche mir nichts anderes in der Welt. Das wichtigste Arbeitsgebiet ist das Spital. Die Spitäler – so wiederholte er mit Ergriffenheit – sind wunderbare Gärten, sind mein Weinberg, meine Freude. Die Spitäler sind das ‚Schlachtfeld’ der Diener der Kranken und ihre größte Sehnsucht muss die sein, im Spital zu leben und zu sterben.“

Impulse

Wie kann ich bei der Humanisierung unserer Gesundheitseinrichtungen mithelfen?

Wir beten

Herr, ich danke dir, dass du mich an die Strasse gestellt hast,
wo ich dem Leidenden begegne;
dass du mich gerufen hast, ihn zu lieben und ihm zu dienen.

Schenke mir, Herr, eine Liebe, die das Leiden respektiert
und mich ihm mit aller Behutsamkeit nähern lässt,
wie einem heiligen Geheimnis.

Schenke mir die Liebe, die bewirkt, dass ich mich selbst
vergesse, um dem Leidenden wenigstens ein wenig Zeit
und inneren Frieden zu schenken.

Schenke mir, Herr, die großzügige Einsatzbereitschaft des
barmherzigen Samariters, damit ich niemals der Versuchung
nachgebe, an dem, der leidet, vorüberzugehen.

Schenke mir die Feinfühligkeit der Veronika, die das Drama des
Verurteilten nicht beseitigen kann, ihn aber aus der Isolation
befreit und ihn fühlen lässt, dass wenigstens ein Herz ihm nahe steht.

Schenke mir die Bereitschaft des Mannes von Cyrene, der
das Kreuz Jesu für eine Strecke Weges auf sich nimmt.

Gib, o Herr, dass die Begegnung mit den Kranken mich selbst
menschlicher und sensibler macht; lass meine Handlungen und
meine Worte denen, die an Schmerzen leiden, von dir erzählen.

© Kamillianer 2013 - [Stand: 14.10.2013]      Kapitel 9    Inhaltsverzeichnis   zurück      nach oben      Kapitel 11