Bucchianico, 1. Oktober 2005
Lieber heiliger Kamillus,
vormals Camillo de Lellis!
In dieser Stadt war deine Familie ein sehr angesehenes Geschlecht. Zu deiner Zeit war es die größte Schande für einen Edelmann zu arbeiten, und schon ganz undenkbar war es, körperlich zu arbeiten. Als du mit siebzehn Jahren aus Bucchianico fortzogst in den Krieg, lag dir kein Gedanke ferner als der, dass du jemals ein Diener der Kranken sein könntest. Jeden, der dir das prophezeit hätte, hättest du als Spinner bezeichnet. Dein Leben war damals das eines spielbesessenen, kampflustigen, stolzen Kriegers. Mit deinen zwei Metern Körpergröße warst du bestimmt eine sehr imposante Erscheinung. Erst als du ganz am Ende warst und betteln musstest, konnte dich der Ruf Gottes treffen. Dein Ja zur Beschäftigung als Hilfsarbeiter beim Bau eines Kapuzinerklosters in Manfredonia hat weit reichende Folgen gehabt.
Es ist ein weiter Weg zwischen Rom und Bucchianico. Wir sind ihn gestern gefahren. Aber noch viel weiter war der Weg deines Herzens. Und je tiefer du abgestiegen bist, bis zum Umarmen von Aussätzigen und zu den letzten Dreckarbeiten, desto glücklicher warst du. Du warst beneidenswert glücklich bei denen ganz unten und die waren glücklich bei dir. Was du für die Kranken tust, das musst du aus Liebe tun! So einfach war dein Leitmotiv. Hilf mir bitte, nicht zu kompliziert zu denken, damit ich das Glück nicht um vierzig Zentimeter verfehle, nämlich die Entfernung zwischen Kopf und Herz!
Aus dem Ort deiner Kindheit und Jugend
grüßt dich
deine Kamilla
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