Auf dem Weg von Verona nach Rom, 27. September 2005
Lieber Bruder Kamillus!
Deine fünf Barmherzigkeiten Gottes beschäftigen mich. Warum hast du deine offene Beinwunde, deinen Bruch, die schmerzenden Schwielen am kranken Fuß, die Nierenkoliken und den Ekel vor dem Essen als Barmherzigkeiten Gottes bezeichnet? Mir stellen sich die Haare auf, wenn ich an so viel Leid nur denke! In der Sprache deiner Zeit antwortest du: Diese schmerzhafte Wunde an meinem Fuß hat mir Gott geschenkt, dass ich mich den Kranken stets verpflichtet fühle und wie ein Gefangener im Spital leben muss. Du warst selbst ein Kranker und darum warst du der Bruder der Leidenden. Dein Dienst war nicht von oben herab. Ich mache die Erfahrung, dass gerade jene Menschen am einfühlsamsten sind, die selbst irgendwie Wunden tragen.
Auch in mir gibt es so manche Wunde, Verletzungen an der Seele und am Körper, Schmerzen, Gebrechen. Bitte, hilf mir, sie (neben den Bemühungen um ihre Heilung) mehr als Barmherzigkeit Gottes zu sehen.
Ich glaube, dass sie mich empfindsam machen können für das Leid anderer und dass ich durch meinen Umgang mit meinen Grenzen eine Hilfe sein kann für Menschen in ähnlichen Situationen. Wenn ich mich Kamillianische Schwester nenne, so ist das die Mitte der Berufung: mittragen, mitgehen in die Leidenssituationen, begleiten als Schwester. Durch Krankheiten, durch Wunden will mir Gott etwas sagen. Ich will diesen Anruf der Barmherzigkeit nicht überhören und verstehen.
Es grüßt dich
deine Schwester Kamilla
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