Handbuch für die Kamillianische Familie der Laien
Eine Anleitung zur Spiritualität, zum Aufbau und zur Arbeitsweise der Kamillianischen Familie anlässlich der 400-Jahrfeier des Todes des heiligen Kamillus im Jahr 2014.Handbuch zur Aus- und Weiterbildung
009 Vorwort von Rosabianca CarpeneDas vorliegende Handbuch zum Aufbau Kamillianischer Familien und zur Vertiefung der kamillianischen Spiritualität wird von der Österreichischen Provinz der Kamillianer als Gabe der Verbundenheit anlässlich der Vierhundert-Jahr-Feier des Todes des hl. Kamillus im Jahr 2014 allen Schwestern und Brüdern der großen kamillianischen Gemeinschaft sowie allen Freunden und Wohltätern des Ordens in großer Dankbarkeit in die Hände gelegt. Mit seinem reichhaltigen Inhalt ist diese Publikation als Frucht aus der Vertiefung in die Spiritualität des hl. Kamillus und des von ihm gegründeten Ordens und aus der praktischen Arbeit für Kranke und Leidende in den Kamillianischen Familien hervorgegangen. Sie ist auch die gemeinsame Grundlage – die „Fibel“ – all derer, die unter dem Zeichen des roten Kreuzes des hl. Kamillus leben und arbeiten. Aus der Vertiefung in diese Texte ist eine große, lebendige und ganz konkrete Arbeit auf dem Gebiet der Leidbewältigung geworden. Auch weiterhin, so ist zu erwarten und zu erhoffen, wird daraus Kraft, neuer Antrieb und Freude erstehen. Die Herausgeber dieser Texte laden ein, immer wieder aus den tiefen Quellen unseres Christseins, aus dem Beispiel des gelebten Glaubens und aus der Gemeinschaft mit unserem Herrn zu schöpfen.
Die Verbreitung der Ideale des hl. Kamillus für die Kranken und Leidenden – praktisch die handfeste Umsetzung seiner Spiritualität – bleibt daneben die Herausforderung an uns angesichts der Not in unseren Tagen. Die zeitgemäße Förderung des Ordensnachwuchses in den kamillianischen Ordensgemeinschaften (Kamillianer, Kamillianische Schwesterngemeinschaften, Kamillianische Säkularinstitute, Kamillianische Familien) ist eine bleibende Aufgabe. Die Weisungen der Ordensregeln enthalten die notwendigen Impulse zur Gewinnung neuer Ordensberufe, die Kamillianischen Familien wachsen auch weiterhin nach den bewährten Richtlinien, wie sie der Aufbaukurs im zweiten Teil des Handbuchs enthält. Die sechs Einheiten des Kurses behandeln das Leben und die Spiritualität des hl. Kamillus sowie die Struktur, den Aufbau und die Arbeitsweise der Kamillianischen Familien.
Die geschichtliche Entwicklung bis zum heutigen Tag und Stand auf Weltebene – rund 200 Kamillianische Familien in über 30 Ländern der Erde mit mehr als 3.000 Mitgliedern – ist ein beeindruckendes Zeugnis von der Aktualität unseres Charismas und für das Wirken des Heiligen Geistes in unserer Welt.
In Brasilien entstanden in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erste Gruppen von Laien, die den Kamillianerpatres in der Sorge für die Kranken höchst erfolgreich beistanden. Der damalige, aus Brasilien stammende Ordensgeneral, P. Dr. Calisto Vendrame, machte österreichische Kamillianer auf diese Art kamillianischer Tätigkeit aufmerksam und lud ein, nach Brasilien zu kommen und an Ort und Stelle die „Bewegung“ zu studieren. P. Paul Haschek und P. Anton Brand aus der Österreichischen Ordensprovinz folgten dieser Einladung und kehrten nach einem einmonatigen Aufenthalt in Brasilien mit einem Koffer voller Ideen nach Österreich zurück. Sie begannen zunächst mit der Sorge für behinderte Menschen.
P. Wilfried Lutz arbeitete in seinem Freundeskreis in diesem Sinn. Ich selbst griff diese Idee auch auf, da ich schon lange vorher mit einer großen Zahl von Leidenden in der sogenannten „Katholischen Krankenvereinigung“ tätig war, die ich auf dem Weg des „Rundbrief-Apostolats“ und der Durchführung von Einkehrwochenenden und Exerzitien seelsorglich begleitete. Ich erarbeitete einen „Einführungskurs in die Spiritualität und Arbeit der Kamillianischen Familien“ und gründete in der Folge bis zum Jahre 2010 insgesamt 103 Kamillianische Familienin Österreich, Ungarn, Rumänien, in der Ukraine, in der Slowakei und im ehemaligen Jugoslawien. Die rund 2.000 Mitglieder arbeiten in straff organisierter Weise selbstständig unter eigener Führung, anerkannt von den Bischöfen der Länder, in denen sie tätig sind, in erster Linie seelsorglich für die Kranken – als engste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Orts- bzw. Pfarrseelsorgers. In Ungarn sind die Kamillianischen Familien auch ein staatlich eingetragener Verein. Sie sind auch auf sozialem Gebiet tätig und als sogenannte „Kamillianische Bewegung“ neben dem Roten Kreuz und den Maltesern als dritte, neu hinzugekommene soziale Bewegung bekannt und geschätzt.
In der Folge wirkte Gottes Geist weiter. Auch in anderen Ländern entstanden Kamillianische Familien (wieweit beeinflusst vom österreichischen Modell, lässt sich im Einzelnen nicht mehr feststellen). Die folgende Begebenheit möchte ich in diesem Zusammenhang jedoch festhalten, da sie für die weitere Entwicklung sicher segensreich war.
Im Juli 1995 ließen sich die österreichischen Kamillianer im Nordosten von Ungarn nieder, gründeten in der Stadt Nyíregyháza ein Kloster und begannen ihre seelsorglich-soziale Tätigkeit für die Kranken, Leidenden und Armen in Stadt und Land. Der Bischof von Debrecen-Nyíregyháza, Bosák Nándor, nahm die ersten beiden Patres Anton Gots aus der Österreichischen und Zbigniew Bodecki aus der Polnischen Provinz bei einem feierlichen Pontifikalamt in seine Diözese auf und wies sie offiziell in ihre Arbeit ein. An diesem Gottesdienst nahm neben den 2.000 Gläubigen auch unser damaliger Generaloberer P. Dr. Angelo Brusco teil. Freudig überrascht, erkundigte sich er sich, woher denn diese vielen Menschen kämen. Worauf ihm geantwortet wurde: Sie kommen aus dem ganzen Land und den Nachbarländern und ca. vierhundert von ihnen sind Mitglieder der Kamillianischen Familie. Tief bewegt davon, was ihm über die Zahl, die Spiritualität, das Arbeitsfeld und die Struktur der Kamillianischen Familien in Ungarn und den angrenzenden Nachbarländern gesagt wurde, berichtete der Ordensgeneral in seiner allmonatlichen Botschaft an den Orden, was er gesehen und erlebt hatte, und rief alle Ordensprovinzen auf, dem Beispiel der österreichischen Kamillianer zu folgen, in den eigenen Provinzen Kamillianische Familien ins Leben zu rufen und die Laien in das Charisma des Ordens einzubeziehen. Kurz zuvor war bereits auf dem Generalkapitel des Ordens eine Kommission ins Leben gerufen worden, die das Phänomen, das sich allenthalben im Orden auch sonst schon herumgesprochen hatte, zu studieren und ein für den gesamten Orden gültiges Generalstatut vorzubereiten. Diese Kommission legte ein Jahr später ein Generalstatut „ad experimentum“ vor. Von da an erfolgte rasch die Gründung weiterer Kamillianischer Familien sowie die Errichtung eines internationalen Dachverbands der Kamillianischen Familien.
Der erste Teil des Handbuchs ist nicht zuletzt ein Ergebnis der Arbeit dieses internationalen Gremiums. Wie erwähnt, gibt es heute auf der ganzen Welt rund 200 „Kamillianische Familien der Laien“, wie heute die offizielle Bezeichnung lautet. Sie arbeiten im Geist des hl. Kamillus und seines Ordens für die Kranken und Leidenden und tragen so, je nach den Bedürfnissen und Möglichkeiten im Land, die Sorge der Kirche und der Kamillianer mit.
Eine große Freude ist es für mich, dass aus den Anfängen in Österreich und in den Ländern Osteuropas, wo ich die Arbeit der Kamillianischen Familien wesentlich in die Wege leiten durfte, dieses weltweite gute Werk geworden ist. Auf Grund der aktuellen Not, die nach Abhilfe schreit, ist die Arbeit der Kamillianer und der Kamillianischen Familien dringender denn je.
Ich wünsche und bete, dass diese Arbeit der Kamillianischen Familien vielen Kranken und Leidenden zum Segen sei.
P. Dr. Anton Gots, Kamillianer
Altenhof am Hausruck, im März 2013
© Kamillianer 2013 - [Stand: 11.10.2013] zurück zum Inhaltsverzeichnis