Die Kamillianische Familie der Laien ist eine Vereinigung von Personen, die die mit der Taufe übernommene Verpflichtung leben, indem sie von der barmherzigen Liebe Christi zu den Kranken und Leidenden Zeugnis geben – gemäß dem Charisma, das der hl. Kamillus von Lellis von Gott erhalten hat (vgl. Art. 1 des Generalstatuts).
Diese barmherzige Liebe Gottes wurde Kamillus so reichhaltig geschenkt, vor allem in den Tagen seiner Bekehrung am 2. Februar 1575, dass sie sein Leben total verändert hat. In diesem Sinn kann man sagen, dass Bekehrung ein wesentlicher Baustein seiner Spiritualität ist und der Beginn seines Lebens für Gott.
In derselben Weise müssen die, die sich in ihrem Leben an der kamillianischen Spiritualität orientieren, auch Menschen sein, die spüren, dass sie auf dem Weg der Bekehrung sind, wenn sie das kamillianische Charisma leben. Kamillus hatte selbst Barmherzigkeit erfahren und widmete dann sein ganzes Leben dem Dienst an den Leidenden (Grundgesetz der Kamillianer, Art. 8).
Die Erfahrung völliger Verwandlung fand in der Folgezeit unterschiedliche Ausprägungen, je nachdem, wohin der Heilige Geist Kamillus im Laufe seines Lebens führte. Es sind vor allem fünf Erfahrungen, die im Zusammenhang mit dem Beistand an den Kranken und Leidenden bei ihm wichtige und positive Veränderungen bewirkt haben. Es handelt sich dabei um echte innere Erfahrungen.
Nachdem er bereits zwei Monate gearbeitet hatte, schickte der Guardian Kamillus von einem Konvent zu einem anderen, um Waren zu überbringen. Einer dieser Reisen, nämlich die am 1. Februar 1575, führte ihn nach San Giovanni Rotondo, wo er Nudeln gegen Wein eintauschen sollte. Am Abend hatte er mit dem Guardian Bruder Angelo ein geistliches Gespräch. Es endete damit, dass Kamillus um die Eingebung betete, was er tun solle, um Gott zu dienen und seine Seele zu retten. Am folgenden Morgen nahm er an der heiligen Messe teil. Das war am Februar, dem Fest der Reinigung Mariens. Dann reiste er nach Manfredonia zurück.
Was dann folgte, lesen wir im Bericht seines ersten und verlässlichen Biographen, P. Sanzio Cicatelli: „Er machte sich Gedanken darüber, was ihm Pater Guardian gesagt hatte. Während er nun so überlegte, überkam ihn wie einst Paulus plötzlich ein Strahl inneren Lichts. So groß war die Reue über seinen elenden Zustand, dass er meinte, das Herz müsse ihm zerspringen. Er war erschüttert und konnte sich nicht mehr im Sattel auf dem Esel aufrecht halten.
Wie zu Boden geschlagen vom göttlichen Licht, ließ er sich mitten auf der Strasse auf die Erde fallen. Dort kniete er auf einem Stein nieder und begann, von ungewöhnlichem Schmerz bewegt, unter Tränen, die aus seinen Augen geradezu herausströmten, sein bisheriges Leben bitterlich zu beweinen. Vom heftigen Schluchzen unterbrochen, sagte er: ‚O ich Elender und Unglücklicher, wie war ich doch verblendet, dass ich meinen Herrn und Gott nicht früher erkannt habe! Warum habe ich nicht mein ganzes Leben damit verbracht, ihm zu dienen? Vergib, o Herr, vergib mir, dem großen Sünder! Schenke mir wenigstens Zeit, um wahrhaft Buße zu tun und so viele Tränen aus meinen Augen vergießen zu können, dass ich die Flecken und den Schmutz meiner Sünden wegwaschen kann.’ Diese und ähnliche Worte sagte er und konnte sich nicht oft genug fest auf die Brust schlagen. Er wagte nicht die Augen zum Himmel zu erheben. So groß waren seine Scham und seine Bestürzung.
Noch immer auf Knien und weinend fasste er, nachdem er der göttlichen Güte wiederholt gedankt hatte, weil sie mit solcher festen Vorsatz, niemals mehr Gott zu beleidigen, strenge Buße zu tun und vor allem möglichst schnell Kapuziner zu werden.
Immer wieder rief er: ‚Non più mondo, non più mondo – keine Weltlichkeit mehr!’ Seit diesem 2. Februar 1575, in seinem 25. Lebensjahr, bis zum Ende seines Lebens beging er mithilfe der Gnade Gottes niemals eine schwere Sünde und, soweit er sich erinnern konnte, auch keine freiwillige lässliche Sünde. Er pflegte zu sagen, er ließe sich viel lieber tausendmal in Stücke reißen, als absichtlich auch nur eine einzige Sünde zu tun. Dieser Tag wurde von ihm immer gefeiert. Und an dieses große Geschenk wurde immer mit großer Andacht erinnert. Er nannte ihn den Tag seiner Bekehrung.“
Wenn wir zum Gebet zusammen kommen, können wir als Mitglieder der Kamillianischen Familie Gott um das Geschenk einer wahrhaften und ständigen Bekehrung zu Ihm bitten und uns abwenden von all dem, was nicht Nächstenliebe und ihre Praxis ist. Es handelt sich darum, Gott in den Mittelpunkt unseres Lebens zu stellen. Auch unsere Erfahrung zeigt, dass der Mensch fähig ist, das Gute und das Bessere zu erkennen, oder auch, dass er sich eher stark vom Bösen und Schlechten angezogen fühlt. Wie ist es möglich, diesen Kampf in uns zu gewinnen? Vor allem dürfen wir uns nicht überschätzen. Das heißt: Einerseits dürfen wir uns nicht täuschen und annehmen, dass wir so stark sind und es nicht nötig haben, immer wieder verführerische Situationen zu meiden. Auf der anderen Seite können wir vor allem auf die Gnade Gottes vertrauen, die unsere Verwundungen heilt und uns angesichts unserer angeborenen Schwachheit festigt. Es ist vor allem die Gnade Gottes, die wir immer wieder brauchen, um die Neigung unserer Natur hin zum Bösen zu besiegen. Zu dieser Quelle müssen wir uns ständig hinwenden, um die Kraft zu finden, die hilft, uns täglich mehr an Christus unserem Erlöser zu orientieren.
Fünf weitere Bekehrungen
Der allzu früh verstorbene P. Calisto Vendrame sagte zu Recht, dass man bei Kamillus von mehreren Bekehrungen sprechen könne. Die erste war die, die wir eben beschrieben haben, nämlich die wahre Gotteserkenntnis. Auf diese folgte langsam die Erkenntnis des Menschen in all seiner Not.
Die zweite Sinnesänderung kam mit der Zeit: Am Anfang lebte Kamillus eine Ich-Du-Beziehung mit dem Herrn. Vor allem spürte er das Bedürfnis, ihn besser kennen zu lernen, ihn aus allen Kräften zu lieben, ihn wegen seiner Wohltaten zu preisen und Buße zu tun für seine Sünden. Es kam aber die Zeit, in der sich diese Beziehung öffnete und auch andere mit einschloss: den Nächsten, vor allem die, die am ärmsten waren: die Kranken. Kamillus bekehrte sich und wurde zu einem bdquo;Kamillianer“.
Der dritte Sinneswandel fand statt, als er Spitalsverwalter war und die Pfleger „zwingen“ wollte, die Kranken liebevoller zu betreuen. Er kam zu der Einsicht, dass er nicht durch Druck auf die Pfleger zum erhofften Resultat kommen würde, sondern vielmehr dadurch, dass er aus ihnen einige (fünf) auswählte, die innerlich dazu geeignet waren. Es handelte sich um die erste kamillianische Gemeinschaft. Kamillus diente den Kranken nicht allein.
Eine vierte Konversion war durch eine mystische Erfahrung begründet: Das Kreuz sagte ihm, sich vom Widerstand der Verwalter und der Geistlichkeit (auch von Seiten des hl. Philipp Neri) nicht abhalten zu lassen, sondern vielmehr das Werk mutig fortzusetzen, da es von Gott selbst gewollt sei. Von diesem Augenblick an war Kamillus nicht aufzuhalten. Er begann seinen Weg, den Kranken zu dienen, und kannte keine menschlichen Grenzen mehr.
Eine letzte und wichtige Bekehrung, die fünfte, ereignete sich, als er von Novara nach Mailand reiste. Da kam er zu der Einsicht, dass für seine Ordensleute das Studium nicht nur angebracht sei, sondern sogar notwendig. Und sofort befahl er allen Gemeinschaften, auch für eine intellektuelle Bildung der Mitbrüder zu sorgen.
Im Folgenden werden wir noch weitere wichtige Bekehrungen unseres Gründers Kamillus entdecken.
In welchem Sinn kann man sagen, dass die Bekehrung des hl. Kamillus ein Ereignis war, das ihn völlig verändert hat? Dafür spricht, dass mit der Bekehrung des Leibes auch sein Verstand und sein Geist getroffen wurden. Seine Beziehung zu Gott, zu den Menschen und zu den Dingen dieser Welt (zur Natur) hatte sich völlig verändert. Auch darum, weil Gott alle Dimensionen in der Person des Kamillus erfasst hatte und nichts davon ausgeschlossen war.
Wir können ein Gespräch führen über die verschiedenen Aspekte seiner Bekehrung. Sie war:
Drei Erzählungen über Bekehrung und barmherziges Verhalten
„Alle Zöllner und Sünder kamen zu ihm, um ihn zu hören. Die Pharisäer und die Schriftgelehrten empörten sich darüber und sagten: Er gibt sich mit Sündern ab und isst sogar mit ihnen. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis und sagte:
Wenn einer von euch hundert Schafe hat und eins davon verliert, lässt er dann nicht die neunundneunzig in der Steppe zurück und geht dem verlorenen nach, bis er es findet? Und wenn er es gefunden hat, nimmt er es voll Freude auf die Schultern, und wenn er nach Hause kommt, ruft er seine Freunde und Nachbarn zusammen und sagt zu ihnen: Freut euch mit mir; ich habe mein Schaf wieder gefunden, das verloren war. Ich sage euch: Ebenso wird auch im Himmel mehr Freude herrschen über einen einzigen Sünder, der umkehrt, als über neunundneunzig Gerechte, die es nicht nötig haben umzukehren.
Oder wenn eine Frau zehn Drachmen hat und eine davon verliert, zündet sie dann nicht eine Lampe an, fegt das ganze Haus und sucht unermüdlich, bis sie das Geldstück findet? Und wenn sie es gefunden hat, ruft sie ihre Freundinnen und Nachbarinnen zusammen und sagt: Freut euch mit mir; ich habe die Drachme wieder gefunden, die ich verloren hatte. Ich sage euch: Ebenso herrscht auch bei den Engeln Gottes Freude über einen einzigen ünder, der umkehrt.
Weiter sagte Jesus: Ein Mann hatte zwei Söhne. Der jüngere von ihnen sagte zu seinem Vater: Vater, gib mir das Erbteil, das mir zusteht. Da teilte der Vater das Vermögen auf. Nach wenigen Tagen packte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land. Dort führte er ein zügelloses Leben und verschleuderte sein Vermögen. Als er alles durchgebracht hatte, kam eine große Hungersnot über das Land und es ging ihm sehr schlecht. Da ging er zu einem Bürger des Landes und drängte sich ihm auf; der schickte ihn aufs Feld zum Schweinehüten. Er hätte gern seinen Hunger mit den Futterschoten gestillt, die die Schweine fraßen; aber niemand gab ihm davon.
Da ging er in sich und sagte: Wie viele Tagelöhner meines Vaters haben mehr als genug zu essen und ich komme hier vor Hunger um. Ich will aufbrechen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein; mach mich zu einem deiner Tagelöhner. Dann brach er auf und ging zu seinem Vater.
Der Vater sah ihn schon von weitem kommen und er hatte Mitleid mit ihm. Er lief dem Sohn entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Da sagte der Sohn: Vater, ich habe mich gegen den Himmel und gegen dich versündigt; ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu sein. Der Vater aber sagte zu seinen Knechten: Holt schnell das beste Gewand und zieht es ihm an, steckt ihm einen Ring an die Hand und zieht ihm Schuhe an. Bringt das Mastkalb her und schlachtet es; wir wollen essen und fröhlich sein. Denn mein Sohn war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden. Und sie begannen, ein fröhliches Fest zu feiern.
Sein älterer Sohn war unterdessen auf dem Feld. Als er heimging und in die Nähe des Hauses kam, hörte er Musik und Tanz. Da rief er einen der Knechte und fragte, was das bedeuten solle. Der Knecht antwortete: Dein Bruder ist gekommen und dein Vater hat das Mastkalb schlachten lassen, weil er ihn heil und gesund wiederbekommen hat. Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Sein Vater aber kam heraus und redete ihm gut zu. Doch er erwiderte dem Vater: So viele Jahre schon diene ich dir und nie habe ich gegen deinen Willen gehandelt; mir aber hast du nie auch nur einen Ziegenbock geschenkt, damit ich mit meinen Freunden ein Fest feiern konnte. Kaum aber ist der hier gekommen, dein Sohn, der dein Vermögen mit Dirnen durchgebracht hat, da hast du für ihn das Mastkalb geschlachtet. Der Vater antwortete ihm: Mein Kind, du bist immer bei mir, und alles, was mein ist, ist auch dein. Aber jetzt müssen wir uns doch freuen und ein Fest feiern; denn dein Bruder war tot und lebt wieder; er war verloren und ist wieder gefunden worden“ (Lk 15).
Um auf dem Weg der Bekehrung weiterzukommen, war es schon immer sinnvoll, alles im Leben ehrlich anzuschauen, was man ändern sollte: den Mangel an Glauben und das Beten, Ängste und Zweifel an der Liebe Gottes, Ehrsucht, Stolz, Sinnlichkeit, Nachlässigkeit im Dienst an den Kranken ... Es hilft, in einer Atmosphäre des Gebetes, des Vertrauens und gegenseitiger Hilfe mit anderen Mitgliedern der Kamillianischen Familie darüber zu reden.
Was die Kirche sagt
Die Bekehrung der Getauften: Jesus ruft zur Umkehr auf. Das ist ein wesentlicher Teil seiner Verkündigung des Reiches Gottes: „Die Zeit ist erfüllt, das Reich Gottes ist nahe. Kehrt um und glaubt an das Evangelium“ (Mk, 1, 15).
In der Verkündigung der Kirche richtet sich diese Einladung vor allem an die, die Christus und sein Evangelium noch nicht kennen. Die Taufe ist daher die wichtigste Gelegenheit zur ersten und umfassenden Bekehrung. Durch den Glauben an die Frohe Botschaft und durch die Taufe (vgl. Apg 2,38) widersagt man dem Bösen und wird mit dem Heil beschenkt. Das bedeutet die Vergebung aller Sünden und das Geschenk des neuen Lebens (Katechismus der katholischen Kirche, Nr. 1427).
Die Aufforderung Jesu bezieht sich auf das ganze Leben des Christen. Die zweite Bekehrung ist dann ein ständiges Bemühen der Kirche, „die in ihrem Schoß auch Sünder umfasst“ und die „heilig und stets der Reinigung bedürftig ist und immerfort den Weg der Buße und Erneuerung geht“ (Zweites Vatikanum, Konstitution „Lumen gentium“, Nr. 8).
Dieses Bemühen um Bekehrung ist nicht nur ein menschliches Werk. Es ist die Dynamik des „zerknirschten Herzens“ (Ps 51, 19), das von der Gnade angezogen und bewegt wird (Joh 6,44; Joh 12,32). Es soll antworten auf die erbarmende Liebe Gottes, der uns zuerst geliebt hat (1 Joh 4, 10; Katechismus Nr. 1428). Das bezeugt auch die Umkehr des hl. Petrus nach der dreifachen Verleugnung seines Meisters. Der Blick Jesu, voll unendlichen Erbarmens, ruft Reuetränen hervor (Lk 22,61) und dann nach seiner Auferstehung das dreifache Liebesbekenntnis durch Petrus (Joh 21, 15–17).
Die zweite Bekehrung hat eine kirchliche Dimension. Das wird deutlich an der Aufforderung des Herrn gegenüber einer einzelnen Kirche: „Kehre um!“ (Katechismus Nr. 1429).
Im Blick auf diese beiden Bekehrungen meint der hl. Ambrosius, dass es in der Kirche „das Wasser und die Tränen gibt: das Wasser der Taufe und die Tränen der Reue“ (Epistulae 41, 12: PL 16, 1116 B).
Es ist sinnvoll, eine Zeitlang im Schweigen zu verharren und dabei über das persönliche Verhalten nachzudenken, wo wir einer Bekehrung zum Herrn bedürfen.
Rufen wir den Heiligen Geist an, uns zu helfen, dass er uns zu Männern und Frauen macht, die für seine Eingebungen und seine Anrufe immer offen sind und wie Kamillus bereit, im heiligen Dienst an den Kranken, den Abbildern Christi, Fortschritte zu machen.
Das Treffen kann abgeschlossen werden durch das gemeinsame Beten des Psalms 51 („Misere“).
© Kamillianer 2013 - [Stand: 13.10.2013] Kapitel 2 Inhaltsverzeichnis zurück Kapitel 4