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Unter dem Motto „Blinde helfen Blinden, Blinde helfen Sehenden, Sehende helfen Blinden, Sehende helfen Sehenden“ gründete Pater Wilfried Lutz 1965 in der Diözese Linz das Blindenapostolat. Als Tiroler gehörte seine große Liebe den Bergen. So organisierte er bald Wanderfreizeiten für Blinde, zunächst auf der Wurzeralm in Oberösterreich, später auch an anderen Orten der Alpen. Pater Wilfried verstand es, nicht nur Sehbehinderte für diese Freizeiten zu begeistern, sondern auch für Führer und Begleiter zu sorgen. Nach und nach übernahmen begeisterte Freunde die Verantwortung für eigene Veranstaltungen, die als „Blindenfreizeiten Pater Lutz“ in Österreich und weit darüber hinaus bekannt wurden. Im folgenden Gespräch mit Sebastian Bock schaut P. Lutz zurück auf die 45 Jahre, die er mit und für blinde Menschen verbracht hat.
Meine Berufung war die Krankenseelsorge, Sterbendenseelsorge und die Blindenseelsorge. Deshalb bin ich Kamillianer geworden. Inspiriert hat mich vor allem die Blindenseelsorge. Denn die Blinden haben mir die Freude gezeigt, was im Leben wirklich Freude ist.
Als ich 1961 als Krankenseelsorger in das Rudolfspital nach Wien kam, war damit auch die Aufgabe eines Blindenseelsorgers verbunden. Das geht auf Pater Robert Svoboda zurück, der 1935 das Blindenapostolat in der Erzdiözese Wien gegründet hatte. Für mich bedeutete das zunächst, regelmäßig eine Messfeier und einen Einkehrtag für die Blinden zu halten. Aber ich habe begonnen, sie auch persönlich zu Hause bzw. in ihrem Heim zu besuchen. Sehr ans Herz gewachsen sind mir vor allem die Taubblinden, weil man da nur mit der Hand reden kann. Die einzelnen Buchstaben werden in die Handfläche eingeschrieben. In einer Woche habe ich die Taubblindenschrift (Lormen) gelernt. Man konnte mit ihnen sogar Schach spielen, denn durch Tasten haben sie die Figuren erkannt. 1964 bin ich dann wieder als Lehrer an unsere Schule nach Losensteinleiten zurückgekehrt.
1965: Gründung des Blindenapostolats
Seit dieser Zeit habe ich immer den Kontakt mit blinden Menschen gesucht. 1965 habe ich dann das Blindenapostolat in Oberösterreich gegründet, zusammen mit Ludwig Wimmer, einem blinden Bäckermeister und späteren Diakon in Altenhof, dem Behindertendorf der Kamillianer.
In Linz habe ich mit Pater Paul Haschek die Idee der Blindenfreizeiten entwickelt. Pater Haschek war damals bei Pater Svoboda in Freiburg und hat sich dort um eine Gruppe von Blinden und Taubblinden gekümmert. Diese Gruppe kam dann 1970 zu einer Bildungsfreizeit nach Götzis in Vorarlberg, die ich geleitet hatte. Ich habe ihnen eine Zusammenarbeit angeboten und gesagt: Ihr müsst international werden.
Das Besondere an diesen Blindenfreizeiten war, dass Sehende und Nicht-Sehende zusammenkamen. Bis dahin waren die Blinden ja weitgehend unter sich geblieben und die Welt der Sehenden war ihnen fremd. In den Blindenfreizeiten, die 1971 auf der Wurzeralm in den Bergen begonnen hatten, war es notwendig, dass jeder persönlich einen Führer hatte. Bei Pater Haschek gab es keine gemischten Gruppen mit Sehenden. Es waren nur katholische Mädchen und Frauen dabei und nur, wenn ein Mädchen geheiratet hatte, durfte sie ihren Mann mitnehmen.
Deine Freude in der Freude des anderen finden ...
Die sehenden Begleiter habe ich bei der Diözesanen Sportgemeinschaft gefunden oder bei der Turn- und Sportunion, am Gymnasium in Losensteinleiten oder auch bei den Pfadfindern. Ein Schlüsselsatz für diese Freizeiten und auch für mich persönlich war: „Deine Freude in der Freude des anderen finden, das ist das Geheimnis des Glücks“ (Georges Bernanos). Dieses Wort haben wir in viele Gipfelbücher eingetragen. Ich denke da an eine 18-jährige Krankenschwester, die noch nie auf einem hohen Berg war. Durch die Blinden ist sie nun auf einen hohen Berg gekommen und das an ihrem 18. Geburtstag. Das war für sie ein großes Glück. Oder eine blinde Frau, die mir gesagt hat: „Ich habe noch nie in meinem Leben erfahren, dass ich so voll angenommen wurde. Bei den Blinden konnte ich die sein, die ich bin. Darüber bin ich glücklich.“ Die Blinden haben ihr den Mut zu sich selber gegeben. Oder, und das ist für mich das Kamillianische: „Sie haben uns aus dem tiefsten Leid oft zum Licht der Freude geführt.“ Das ist für mich christlich und kamillianisch, denn Kamillus ist ja in die Knie gegangen und hat in der Ekstase in den Kranken Jesus verehrt. Von den Blinden, die Nähe suchen und brauchen, lernen wir, was Begegnung heißt und was der Mensch braucht, um Mensch zu werden und aus den Lebensquellen Christi und der Kirche zu schöpfen und zu schenken. Erschlossen haben wir diese Quellen - über die persönliche Begegnung hinaus - bei Exerzitien, Einkehrtagen, bei Bibelarbeit und Singwochen, Wallfahrten, religiösen Bildungswochen und vielem anderen mehr - in ganz Österreich und darüber hinaus auch international.
Mehr zu den Blindenfreizeiten: www.blindenfreizeiten.de
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© Kamillianer 2007 - [Stand: 11.08.2007]css