[ zur Themenübersicht ] - Erinnerungen an P. Leonhard Gregotsch von P. Julien Vianney Slanon - [ Kamillus Heute 149/50 ]
Vollendet in der Liebe Christi
Erinnerungen an P. Leonhard Gregotsch vom Superior der Wiener Kamillianer-Gemeinschaft, P. Julien Vianney Slanon
„Denn die Liebe Christi drängt uns, da wir erkannt haben: Einer ist für alle gestorben, also sind alle gestorben. Er ist aber für alle gestorben, damit die Lebenden nicht mehr für sich leben, sondern für den, der für sie starb und auferweckt wurde“. (2 Kor 14) Aus diesem zweiten Brief des Apostels Paulus an die Korinther stammt der Weihespruch meines lieben und sehr geschätzten Mitbruders P. Leonhard Gregotsch: Die Liebe Christi drängt uns. Mehr als ein Weihespruch ist dieser Satz die Zusammenfassung seines Lebens und Wirkens als Priester, Seelsorger, Leitungsverantwortlicher und Mitbruder. Getragen und gedrängt von der Liebe Christi hat P. Gregotsch sich bemüht, der Liebe Christi ein Gesicht zu geben. Denn die Liebe ist mehr als ein Wort. Seine Liebe zu Gott und zu den Menschen hat ihn beflügelt, sodass er wie Paulus viele Missionsreisen gemacht hat. Er war ein Apostel der Liebe und hat an die Liebe geglaubt, wie er bei seiner ersten Profess am 8. Dezember 1951 gesagt hat: „Von Gottes Geist bewegt, habe ich an die Liebe geglaubt und nehme liebend die Gnadengabe der Barmherzigkeit zu den Kranken an. Ich will mein ganzes Leben allein für Gott und Jesus Christus, den Barmherzigen, leben.“
Liebe und Treue zum Orden
Sein ganzes Leben hat er wahrhaftig in Wort und Tat für Gott und Jesus Christus, den Barmherzigen, gelebt. Gott war das Fundament seines Tuns und Daseins. In den mehr oder weniger letzten zehn Jahren durfte ich das klösterliche Leben mit ihm teilen. Ich bewunderte immer seine Treue zur Klosterregel. Die Gebetszeiten, die Messfeier in der Gemeinschaft, seinen Dienst im Spital hat er nie vernachlässigt. Ich kann mich noch daran erinnern: Als er am 28. November 2022 nach dreiwöchigem Aufenthalt im Krankenhaus Göttlicher Heiland kurz vor 18 Uhr ins Kloster gekommen ist, hat er sofort an der Messe um 18 Uhr teilgenommen.
Ein Wegbereiter
Ein sehr disziplinierter, intelligenter, zugänglicher, hilfsbereiter, bescheidener, humorvoller, mutiger Mensch und Mitbruder war P. Leonhard. Ich habe ihn gerngehabt. „Sein Heimgang ist für dich ein großer Verlust“, hat mir P. Edmund Donner gesagt, als ich ihm mitteilte, dass P. Gregotsch gerade verstorben ist. Als Hausoberer war er sehr aufmerksam auf die einzelnen Mitbrüder. Er hatte eine persönliche Art und Weise, seine Meinung ohne Verletzung und Erniedrigung der Mitbrüder durchzusetzen. Mit seiner Weisheit und Erfahrung konnte er viele Spannungen vermeiden oder lösen, um die Brüderlichkeit zu retten. Er wusste jeden Mitbruder mit seinen Talenten und Grenzen zu schätzen und zu begleiten. Gewiss mag es sein, dass er als Verantwortlicher einige Entscheidungen treffen musste, die vielleicht nicht allen gefallen haben. Das gehört aber auch zum Leben der Menschen, die Verantwortung tragen. Man braucht Klarheit, Entschiedenheit, Urteilsvermögen, klare Sichtweise und Weitblick. Er wurde ab und zu nicht verstanden, aber da er von seiner Vision und seinem Ziel überzeugt und zuversichtlich war, blieb er dran. Heute kann man im Rückblick nur dankbar ihm gegenüber sein. Er war im wichtigen Sinn ein Wegbereiter.
„Mut, nur Mut!“
Aus meiner persönlichen Erfahrung mit ihm kann ich sagen, dass er seine Amtsmacht nicht missbrauchte. Er hielt an seinem Amt als Oberer nicht fest. Es war ihm klar, dass es ein Dienst war, und dadurch sollte die Liebe Christi erfahrbar werden. „Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr so handelt, wie ich an euch gehandelt habe“ (Joh 13,15). Von ihm durfte ich viel lernen, als ich sein Hausoberer geworden bin. Ich konnte mich auf ihn verlassen. Gegenseitiges Vertrauen und Verständnis ist zwischen uns beiden gewachsen, sodass er ohne Sorge und Zögern mich als seinen Nachfolger als Hausoberer und Provinzökonom annahm. Er war zwar mein erster Beirat, aber er hat mir Freiheit bei den Entscheidungen gelassen. Er mischte sich nicht ein. Ich mochte es gerne, wenn er von verschiedenen Situationen und Begebenheiten erzählte. Er war auch ein genauer Historiker und gab gute Ratschläge für das Leben. Er wird mir fehlen, aber ich bin davon überzeugt, dass er mich und uns, die Mitbrüder nicht vergessen wird. Er ist nun ein Fürsprecher für uns. Er hat die jüngere Generation immer gefördert, ermutigt und unterstützt. „Mut, nur Mut“ sagte er öfter. Die Missionsländer verdanken ihm viel. Er lebt noch weiter durch seine Werke. Seine Liebe zu seinem Orden, seiner Provinz, den anderen Provinzen, zur Kirche und seiner Familie hat er bis zum Ende gepflegt.
Mit seinem Realismus konnte er akzeptieren und annehmen, dass seine Kraft und sein Gesundheitszustand allmählich verloren gingen. Und dies tat er wieder mit Humor, was nicht selbstverständlich ist. Als Frau Koberger, seine sehr geschätzte langjährige Sekretärin, der ich hier für ihr Engagement noch danke, und ich P. Gregotsch am 4. Dezember 2022 zum letzten Mal ins Krankenhaus Göttlicher Heiland gefahren haben, war das Pflegepersonal sehr erstaunt, wie tapfer er gewirkt hat.
„Ich will nach Hause gehen“
Da die Liebe Christi ihn drängte und er diese Liebe gelebt hat, hatte er keine Angst vor dem Tod. Denn es war ihm bewusst, dass er den guten Kampf gekämpft, den Lauf vollendet und die Treue gehalten hat und den Kranz der Gerechtigkeit vom gerechten Richter erwarten sollte (2 Tim 4, 7-8). Mit dieser Zuversicht bat er darum, seine letzte Reise im Pflegeheim der Barmherzigen Schwestern in Laab am Walde vollenden zu dürfen. Wieder ein Zeichen seiner Verbindung und Liebe zum klösterlichen Leben und seiner Zuneigung zur Barmherzigkeit. Am 15. Jänner 2023, einen Tag vor seiner Übersiedlung nach Laab, sagte er: „Auch wenn es nur eine Nacht sein sollte, möchte ich sie in Laab verbringen.“ Es war ein Herzensanliegen für ihn, dorthin zu gehen. Deshalb ist es mir an dieser Stelle ein Anliegen, der Kongregation, der Generaloberin Sr. Cordula samt ihren Rätinnen, der Gemeinschaft der Schwestern in Laab und Frau Irena Deimel, Leiterin des Heimes, meinen großen Dank und besonderes Lob auszudrücken. Sie sind uns in verschiedenen Situationen entgegengekommen und haben meinen lieben Mitbruder P. Leonhard sehr würdevoll gepflegt. Er war sehr zufrieden. Er fand wieder seinen Lebensrhythmus als Ordensmann. Als er selbst bemerkt hat, dass die Zeit seiner Begegnung mit dem gerechten Richter sich nähert, sagte er immer wieder: „Ich will nach Hause gehen“ und segnete mich jedes Mal, wenn ich ihn besuchte. Die Schwestern im Heim berichteten mir auch, dass er immer wieder auf seine letzte Reise hingewiesen hat. Und es war auch wirklich am 12. Februar 2023 eine friedliche Reise.
Als ich an diesem Vormittag kam, sagte er: „Es ist gut, dass du da bist, Julien.“ Ich hatte noch nicht verstanden, dass es bald zu Ende gehen würde oder um richtig zu sagen, ich wollte ihn nicht loslassen, aber die Schwestern haben das bereits gespürt und sind eine nach der anderen in sein Zimmer gekommen, um sich zu verabschieden. Eine Schwester hat mich aufgefordert, P. Gregotsch die Krankensalbung zu spenden. Ich habe ihn dann gefragt, ob er das wolle, da ich ihm diese schon vor drei Wochen gespendet hatte. Er hat den Wunsch geäußert, das Sakrament zu empfangen, was wir gemeinsam gefeiert haben. Er konnte sogar mitbeten und ich habe ihn mit der Reliquie vom hl. Kamillus gesegnet. Dann, gestärkt durch dieses Sakrament und begleitet mit dem Rosenkranz der Barmherzigkeit, hauchte er noch in der Stunde der Barmherzigkeit im Kreis seiner Familie und Mitbrüder ohne irgendeine Aufregung und Todesangst seinen letzten Atem aus. So wurde er in der Liebe seiner Lieben vollendet und die Liebe Christi hat ihn bis zum Ende gedrängt und getragen - bis zur Vollendung.
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