Kamillianer

zur Themenübersicht ] - [ Kamillus-Lesebuch ] - Beispiel des Kamillus - 'Kamillus Heute' 147/148 Dezember 2022

Das Beispiel des Kamillus – hochaktuell für heute

Das Gesundheitswesen, der Umgang mit und die Sorge für Kranke, hat in jeder Epoche und Kultur ganz eigene und unterschiedliche Herausforderungen. Wenn der heilige Kamillus in unseren Tagen zurückkehren würde ... - Was würde er erleben? Was würde er wollen? Was würde er tun? Was wäre seine Botschaft an uns?

Er wäre sicher zunächst erstaunt über die hochtechnisierte moderne Medizin, die heute das Gesundheitswesen bestimmt. Anerkennung würde er gewiss dem hygienischen Standard zollen und auch dem Austausch zwischen Medizin, Pflege und anderen Disziplinen im Krankenhaus. Gewiss käme auch das System der Kranken- bzw. Gesundheitsversicherung seinen Idealvorstellungen entgegen, da es keine „Unheilbaren“ wie zu seiner Zeit, keine „abgeschobenen“ und mangelnder Krankenfürsorge ausgelieferte Kranke mehr gibt.

Höchst verwundert wäre er allerdings vermutlich über die Diskussionen über das Gesundheitswesen in unserer Zeit. Wirtschaftlichkeit würde er wohl ganz anders verstehen als wir, Kostendruck kannte er wohl auch - aber ganz anders als heute.

Vielleicht würde Kamillus ganz kritisch fragen: „Seht ihr eigentlich noch den leidenden Menschen? Sind eure Krankenhäuser nicht weithin gut ausgerüstete Reparaturwerkstätten, funktionierende Gesundheitsbetriebe geworden? Warum muss man statt „Krankenkassen“ bei euch von „Gesundheitskassen“ sprechen? - Es kann sein, dass Kamillus noch viele weitere und kritische Fragen stellen würde.

Bei all den Vorstellungen von Leistungsfähigkeit, Fitness, Jugendlichkeit, von denen unsere Gesellschaft bestimmt ist, ist auch die Sichtweise von Krankheit eine andere geworden. Im Blick auf Kranke, „Gelähmte, Aussätzige, Unheilbare“ hat der Kamillianer P. Bernhard Rüther einmal formuliert: „Nur die Religion kann es wagen, Fragen nach dem Sinn solchen Elends in ihrer ganzen Härte zuzulassen. Nur der Glaube ist imstande, eine Antwort zu geben. Nur eine aus dem Geiste des Evangeliums wirkende Krankensorge kann wirklich helfen ...“

Kamillus sah in der Krankheit, im Leiden die Teilhabe am leidenden Christus. Das bedeutete für ihn, den Kranken mit grenzenloser Liebe zu begegnen, ihnen ihre schwere Lebenssituation nach Möglichkeit zu erleichtern, aber immer auch den Bezug zu Gott herzustellen. Es mag sein, dass zu Zeiten von Kamillus, dem allgemeinen Glaubensverständnis entsprechend, die Angst vor einem rächenden, die Sünden anrechnenden Gott im Vordergrund stand. Das Tun des Pioniers der Krankensorge stand aber doch vor allem auch im Zeichen der Sinngebung von Krankheit und dem Verweis auf die unendliche Liebe Gottes zum Menschen.

Um aus dem Glauben eine Antwort auf die Sinnfrage der Krankheit zu finden, bedarf es der Klärung, was der christliche Glaube ganz allgemein und speziell in der besonderen Lebenssituation der Krankheit uns bedeuten kann.

Zunächst: Glauben heißt, sich an Gott festmachen. Sich an ihm „festmachen“ bedeutet so, ja sagen zur Botschaft Jesu Christi vom „Vatergott“. Dazu gehört, seinen Ruf in die Nachfolge aufgreifen und nach besten Kräften und Möglichkeiten im eigenen Leben zu verwirklichen. Das wiederum heißt auch sein Wort ernst zu nehmen: „Wer mein Jünger sein will, der verleugne sich selbst, nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach!“ (Mk 8,34)

Die Krankheit, jede Krankheit ist ein Kreuz. Sie verlangt „Verleugnung“ im Sinne von „absehen“ von der unbegrenzten eigenen Wunscherfüllung; die ist ja in der Krankheit ohnehin sehr begrenzt. Die Nachfolge heißt sodann der Krankheit dadurch Sinn zu geben, dass sie den Kranken teilhaben lässt am Leben Jesu und eben auch an der bitteren Erfahrung des ganz konkreten Leidens. Das ist nicht nur ein „billiger Trost“, vielmehr eröffnet diese Sichtweise ein sinnerfülltes Leben auch dann, wenn es schwer erträglich und belastend ist. Es wird dadurch nicht Krankheit „überhöht“, wegdiskutiert. Vielmehr können aus diesem Verständnis sich Horizonte eines doch anderen Umgehens mit Krankheit und Leid auftun.

Das seelsorgliche Bemühen von Kamillus war auf das Heil des Kranken ausgerichtet, das seinen Ausdruck fand in der angemessenen Versorgung, Pflege und in den Möglichkeiten der damaligen Medizin.

Von daher haben die Hinweise von Kamillus auch heute noch Bedeutung. Aber Krankenpflege hat nicht nur mit dem Beruf, gar dem Job, zu tun, sondern sie ist zutiefst doch auch Berufung zum liebevollen Umgang mit den Leidenden und Kranken. Die Sorge um Kranke ist nicht nur eine Wiederherstellungspraxis von Arbeitsleistung und Lebensqualität, sondern immer auch Ausdruck gelebter und praktizierter Nächstenliebe, wie sie uns die Botschaft Jesu im Evangelium vermittelt.

Das ehrliche Bemühen um Kranke ist nicht nur Ausdruck von humaner Gesinnung, sondern grundsätzliche, letztlich religiös begründete Haltung der mitmenschlichen Zuwendung.

Ausschnitt aus dem Kamillus-Lesebuch von P. Dietmar Weber




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