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Das Kamillus-Lesebuch
Zeugnis eines bewegten und wegweisenden Lebens
Kamillus dient den Kranken. Mit Herz und Hand setzt er sich für Leidende, Arme und Kranke ein, sorgt für sie. Nicht selten hat er sich dabei selbst total verausgabt.
Was veranlasst einen Menschen zu solchem Tun? Was treibt ihn an, so zu handeln?
Das bewegte Leben des Kamillus von Lellis drängt gerade dazu, der Kraftquelle, die ihn zu diesem selbstlosen Krankendienst antreibt, nachzuspüren.
Die Hinwendung zu den Kranken hat bei Kamillus zunächst einen einfachen Grund: Um im San Giacomo-Hospital Hilfe für seine Fußwunde zu finden, muss er Hilfsdienste in den Krankensälen leisten. Das gefällt ihm gar nicht, er ekelt sich und geht den Kranken am liebsten aus dem Weg.
Wenn er sich dennoch hin und wieder dazu durchringt, dem einen oder anderen Kranken zu helfen, kommt es vor, dass ihn doch das schwach gehauchte Dankeschön des Kranken erreicht. Es dringt ihm ins Herz. Mit der Zeit wird daraus die beispielhafte Liebe zu den Armen und Kranken.
Wie findet Kamillus auf diesen Weg? Woher schöpft er die Kraft zum Krankendienst?
Kamillus ist in seinem Innern, in der Seele, berührt worden. Am Beginn seiner inneren Umkehr fühlt er sich von Gott, von Gottes Geist berührt. Er erkennt seine oberflächliche Lebensgestaltung und spürt, dass Gott ihn zu einem sinnvollen Leben führen will. Diesem Impuls gibt er in seinem Leben Raum. Er nimmt sich vor, sein Leben zu ändern. Die „Berührung“ durch Gottes Geist, setzt Kräfte in ihm frei, die er bei sich nicht vermutet hat, gibt ihm Mut und Zuversicht, sich dem Leben zu stellen. Diese Erkenntnis bleibt aber nicht nur eine „fromme Anmutung“. Sie drängt ihn dazu, die „Berührung“ nun seinerseits in „Berührung“ umzusetzen, kranken und notleidenden Mitmenschen konkret und tatkräftig zu helfen. So gewinnt er für sich eine „Spiritualität“, eine innere geistig-geistliche Kraftquelle, die sein zukünftiges Leben prägt. Daraus gestaltet er sein Leben, verbindet miteinander das Leben in der Welt, das Leben mit den Mitmenschen und das Leben mit Gott.
Die Entfaltung der Kraftquelle bleibt bei Kamillus nicht auf die Innerlichkeit begrenzt. Er ist ein weitblickender, „welt- und lebensoffener“ Mensch. Mit wachem Auge nimmt er wahr, was um ihn herum geschieht. Das ist in seiner Soldatenzeit so und das setzt sich nach seiner inneren Umkehr in seinem Leben als Krankendiener, Verwalter, Priester und Ordensgründer fort. Die Lust auf Abenteuer, das raue Soldatenleben, seine eigenen Sehnsüchte und Wünsche öffnen ihm den Blick auf die Welt. Er sieht, wie man schnell zu Geld und Reichtum gelangen kann, er sieht aber auch, welche Gefahren ein solches Leben mit sich bringt.
Nach seiner Bekehrung sieht er im Blick auf sich selbst und im Blick auf seine Umgebung eher die Schattenseiten des Lebens und der Welt. Er erkennt seine eigene Unstetigkeit, Unzulänglichkeit, ja Unfertigkeit und sündhafte Begrenztheit. Dabei ist seine Wahrnehmung gewiss auch gekennzeichnet durch die allgemeinen Vorstellungen seiner Zeit, in der das Leben der Menschen weithin gekennzeichnet ist durch Angst, vor allem auch von der Angst vor Gott auf Grund der eigenen Lebensführung verlassen zu sein, verstoßen und etwa durch Krankheit bestraft zu werden. Diese Sichtweise schärft seinen Blick für die Armen und Kranken, die nicht nur unter der äußerlich erkennbaren Not leiden, sondern auch in ihrem Inneren verstört, hilflos und erbarmungswürdig sind.
Die innere Erschütterung, die Kamillus als junger Mann erlebt und die zu seiner Bekehrung führt, lässt ihn die Frage nach dem Sinn seines Lebens stellen. Von Abenteuern hat er genug. Die Flamme des schnellen Glücks ist erloschen. Er sinnt seinem Leben nach und begibt sich auf die Suche nach Sinn. Auf diesem Weg erhofft er sich Hilfe von Gott.
Im Moment der inneren Umkehr wendet er sich an Gott, ruft ihn an, bittet ihn um Hilfe. Kamillus beginnt zu beten. Es ist weniger das formelhafte Gebet, das Kamillus an Gott richtet, sondern vielmehr der Schrei aus der eigenen Not, der Versuch, das, was ihn innerlich bewegt, vor Gott zu tragen, ihm zu sagen und anzuvertrauen.
Kamillus spürt und erfährt, dass ihm diese Zwiesprache mit Gott innere Ruhe bringt, ihn erkennen lässt, was Gott von ihm will, sein Vertrauen bestärkt, auf dem rechten Weg zu sein. Es ist nicht verwunderlich, dass Kamillus schon bald zu Beginn seines Krankendienstes im Hospital nach einigen Gleichgesinnten Ausschau hält, die sich mit ihm zum Gebet versammeln. Er richtet eine Art Gebetsraum ein, stellte einen Altar auf mit einem Kreuz darauf. Mit den Gefährten verrichtet er Gebete und tauscht sich mit ihnen über den Glauben und die neue Sichtweise des Dienstes für die Kranken aus. Sein Biograf hält fest: „Sobald die Andachtsübungen zu Ende waren, gingen sie alle zusammen aus dem Raum und glichen guten Engeln mit flammender Liebe im Herzen und bereit, den Kranken zu dienen.“
Zeit, die Kamillus über den Krankendienst und später über seine Sorge für die Gemeinschaft hinaus übrigbleibt, nutzt Kamillus zur „Kontemplation“, zur Besinnung und zur Betrachtung des Evangeliums. Nicht zuletzt der Blick auf Jugendjahre, die er im Nachhinein als „vergeudete Zeit“ betrachtet, strebt er an, vor Gott „heilig“ zu werden. Heilig, das ist für Kamillus keine abgehobene Lebensweise, sondern die persönliche Antwort auf den Anruf Gottes „Seid heilig, denn ich der Herr, euer Gott, bin heilig“ (Lev 19,1). Kamillus spürt und weiß Gott ist „Liebe, Gerechtigkeit und Frieden“. So will er werden und dafür setzt er sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Kräften ein.
Kamillus erfährt, dass das Streben nach diesen Grundhaltungen, nach Liebe, Gerechtigkeit und Frieden, ihm Kraft gibt, die Aufgaben, die er sieht und denen er sich stellt, ganz konkret anzugehen. Was anderes brauchen die Kranken und die Armen als Liebe? Haben nicht gerade sie unter mancherlei Ungerechtigkeiten zu leiden? Ist nicht Frieden, vor allem auch innerer Frieden und Zufriedenheit das, was sie suchen?
Der engagierte Krankenpfleger Kamillus setzt das, was er in seinem Suchen nach Gott als wichtig erkennt, in die Tat um. Es wird zu seiner „Spiritualität“, zur Grundlage und zum Antrieb seines Handelns. In vorbildhafter Weise verbindet er Gebet, Kontemplation und Aktion zum bewegenden und tragenden Impuls seines Lebens. Man könnte sagen: Kamillus setzt seinen Glauben in die Tat um.
Durch die Kraftquelle seiner geerdeten und gelebten Spiritualität, seiner lebendigen Beziehung zu Gott setzt Kamillus das in die Tat um, was er in seinem Leben bereut, was er im Augenblick der Bekehrung in die Worte gefasst hat; „Vergib, o Herr, vergib mir, dem großen Sünder!“ Er will in seinem ehrlichen Streben nach der von Gott geforderten Heiligkeit (s. Lev 19,1) das wiedergutmachen, was er gefehlt hat. Und erfährt so, dass Gott, der in seiner Umwelt eher als ein Gott der Bestrafung und Vergeltung gesehen wurde, als den liebenden und barmherzigen Gott. Nicht zuletzt aus dieser hoffnungsfrohen Erkenntnis wendet sich Kamillus besonders liebevoll den Sterbenden zu, so dass er und seine Gefährten in Rom „die Väter vom guten Tod“ genannt werden.
Wenn man die Spiritualität des Kamillus in den Blick nimmt, dann erkennt man leicht, dass aus dieser Kraftquelle eine Liebe erwächst, die das Leben überdauert.
Das kommt auch zum Ausdruck in der kamillianischen Verehrung der Herzreliquie dieses Heiligen. Wer sein Herz, die Reliquie in der Mutterhauskirche der Kamillianer in Rom verehrt, der verehrt letztlich die Liebe Gottes zum leidenden, kranken und armen Mitmenschen. Ermutigend ist an dieser geistig-geistlichen Haltung des Kamillus, dass er in all seinem Streben, Nächstenliebe in die Tat umzusetzen, ein Mensch geblieben ist, ein Mensch mit Ecken und Kanten, mit einem feurigen Temperament und klaren Zielvorstellungen für seine Gemeinschaft, die „geistlichen Söhne“ und alle, die nach seinem Beispiel sich den Kranken zuwenden. Kamillus musste kämpfen, nicht nur gegen äußere Widerstände, sondern auch gegen eigene Anfechtungen. Aber er ist in diesem Kampf nicht müde geworden und hat in Gott und im Krankendienst die Erfüllung seines Lebens gefunden.
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