[ zur Themenübersicht ] [ Kamillus Lesebuch ] Fortsetzung Teil 4 [ Kamillus Heute 129-130 ]
Das Kamillus-Lesebuch
Zeugnis eines bewegten und wegweisenden Lebens
Fortsetzung - Teil 4
Vom Söldnerdienst ans Krankenlager
Im Soldatendienst nach dem Vorbild des Vaters sein Glück zu machen, das ist Vorstellung und Wunsch des Kamillus von Lellis. Es wird nichts aus den großen Plänen. Beide werden krank und der Vater stirbt in Sant’ Elpidio a Mare. Kamillus zieht sich eine unheilbare Fußwunde zu, die wegweisend wird und von da an sein Leben bestimmt.
Noch aber ist sein Sinn auf das Soldatenleben ausgerichtet. So macht er sich notgedrungen auf den Weg nach Rom, um im San Giacomo-Hospital, dem „Hospital für die Unheilbaren“, seine Wunde auszukurieren und auch, um die „Weltstadt“ zu sehen.
Ein Soldat ohne Geld. Wie soll er da Hilfe finden? Wie zu der Zeit üblich, muss er im Hospital als Hilfspfleger einfache Arbeiten verrichten, um sich den Aufenthalt zu verdienen. Ein Spital wie das San Giacomo-Hospital, das ist zur Zeit des Kamillus ein Ort, an dem vor allem Arme mehr schlecht als recht gepflegt werden.
Die Pflege Kranker und die Sorge um erkrankte Pilger hat eine lange Tradition in der Kirche und damit auch in der Gesellschaft im 16. Jahrhundert. Es gibt die Hospize, die sich der erkrankten Pilger annehmen. Es gibt christlich gesinnte Menschen, die sich den Kranken zuwenden, um das Gebot der Nächstenliebe zu erfüllen. Dennoch geht es zu der Zeit, in der Kamillus lebt, eher um „eine Verwahrung“ allenfalls um die Pflege der Kranken, weniger um medizinische Behandlung. Begüterte Kranke werden zu Hause gepflegt und versorgt, vom Priester seelsorglich mit den Sakramenten der Kirche versehen.
Kamillus, der junge, im Kern seiner Person noch abenteuerliche und eher raue Soldat, erlebt das Hospital von einer ganz anderen Seite. Alles ist ihm lästig und zuwider, die Einengung, das Stöhnen und Schreien, der Gestank, der Zwang zu den Hilfsdiensten. Das ist nicht seine Welt.
In zwei langen Sälen, getrennt für Männer und Frauen, sind die Bettgestelle mit den Strohsäcken so aufgereiht, dass alle Kranken vom Bett aus am Gottesdienst im Altarraum des Saales teilnehmen können. Es kann durchaus sein, dass zwei oder drei Kranke sich ein Bett teilen müssen. In Zeiten von Epidemien liegen dann noch Kranke einfach auf Strohsäcken auf dem Boden.
Geleitet wird das Hospital durch den „Spitalmeister“. Die erforderlichen Arbeiten verrichten „Lohndiener“ und Hilfspfleger, wie eben Kamillus. Ein „Medicus“ (Arzt) aus der Stadt besucht die Kranken und ordnet an, was von den Hilfspflegern zu tun ist.
Das alles ist nicht Sache des Kamillus. Bei seinem ersten Aufenthalt in San Giacomo (März bis Dezember 1571) macht er sich, wenn es eben geht, aus dem Staub und trifft sich am Tiberufer mit den Schiffern zum Kartenspiel. Mehrmals wird er wegen dieses Verhaltens vom Spitalmeister verwarnt. Als der eines Tages die Spielkarten unter seinem Kopfkissen entdeckt, entlässt er ihn, weil man das draufgängerische Wesen des Kamillus fürchtet.
Die endgültige Wende
Drei Mal muss Kamillus Erfahrungen im Hospital machen, bis er erkennt, dass das Krankenhaus sein Platz und der Krankendienst seine Bestimmung ist. Dann aber geht er in dieser Tätigkeit auf. Er entwickelt eine nahezu beispiellose Aufmerksamkeit für die Bedürfnisse der Kranken, für ihr Leid und ihre Nöte. Und er setzt alles daran, Ihnen zu helfen. Er lässt sich nun von den Kranken in seinem Tun bestimmen. Kein Handgriff ist ihm zu viel, kein Dienst zu mühsam, keine Verrichtung zu widerlich, wenn er nur die Situation des Leidenden verbessern kann.
Der dritte Aufenthalt im San Giacomo-Hospital bringt die endgültige Wende. Da man Kamillus bei seinem zweiten Aufenthalt in San Giacomo doch auch von einer anderen Seite kennen gelernt hat, nimmt man ihn 1579 wieder auf, bestellt ihn gar zum Spitalsmeister.
Jetzt geht es Kamillus nicht mehr nur darum, sein Fußleiden auszukurieren. Er hat eine andere Einstellung zu den Kranken gefunden. Er nimmt die Nöte der Leidenden und Kranken wahr und setzt all seine Kräfte ein, ihnen zu helfen. Wenn man so will: Er entdeckt nach und nach ein „neues, sein ganz persönliches Schlachtfeld“, nämlich das Krankenlager.
Kamillus, das zeigt sich nach und nach, ist eben nicht nur der Abenteurer, er ist auch einfühlsam, umsichtig und weitsichtig. Die Jahre, die ihm selbst im Rückblick als vergeudet erscheinen, sind doch auch echte Lehrjahre.
Mit geschärftem Blick erkennt er die Missstände in der Krankenversorgung, benennt sie und sinnt auf Abhilfe. So sagt er einmal: „Könnte man nicht die Kranken aus den Händen der Lohndiener befreien und dafür eine Gesellschaft von frommen, ehrbaren Männern gründen, die ihnen nicht um des Lohnes willen, sondern freiwillig und aus Liebe zu Gott dienen, mit einer Liebe wie sie die Mütter ihren kranken Kindern schenken“. Diese Erkenntnis wird später auch Eingang in seine Worte an die ersten Gefährten finden.
Fürsorge und Zärtlichkeit den Kranken gegenüber
Kamillus hat „die Fronten gewechselt“. Mit außergewöhnlicher Liebe und brennendem Eifer nimmt er sich der Kranken an und will durchaus auch seinen Einfluss im Spital geltend machen. Dabei kennzeichnet ihn, dass er selbst vorlebt, was er von anderen fordert. So bleibt es bei ihm nie nur in der Theorie, vielmehr sind es seine persönlichen Erfahrungen und auch, was er von sich selbst fordert, wenn er Regeln aufstellt, die im Umgang mit den Kranken befolgt werden sollen.
Aus dem, was er erkennt und erfährt, sind später „die ersten von Kamillus geschriebenen Regeln“ für die von ihm gegründete „Gesellschaft der Krankendiener“ geworden. Es wird in diesen Regeln eine geradezu mütterliche Fürsorge und Zärtlichkeit den Kranken gegenüber erkennbar.
So fordert Kamillus, was offenbar nicht üblich war, dass die Pflegenden dabei sind, „wenn die Ärzte ihren Besuch machen, um dann den Kranken zur bestimmten Zeit die Speisen geben zu können, welche die Ärzte verordnet haben, besonders für diejenigen, die schwerer erkrankt sind.“ (R 29) Und weiter: „Während der Mahlzeiten der Kranken soll ein jeder sich bemühen, den Schwerkranken zu helfen und sie zum Essen zu bewegen suchen.“ (R 30)
Was Kamillus da fordert, scheinen Selbstverständlichkeiten zu sein. Zu seiner Zeit, der Zeit der „Lohndiener“ und „Wärter“ bedarf es jedoch zum Wohl der Kranken offensichtlich der dringenden Forderung dieser Verrichtungen.
Kamillus hat den ganzen Menschen im Blick (heute nennt man das „umfassende Sorge für den Kranken“).
Seine Einfühlsamkeit in die bedrängte Situation des Kranken lässt ihn fordern: „Ein jeder sorge mit liebevollem Eifer dafür, dass die Betten gemacht werden und benachrichtige den Aufseher, wenn sehr schmutzige Betttücher und Hemden gewechselt werden müssen. Jeder bemühe sich, eher durch Taten als durch Worte zu belehren und sich die Freundschaft aller derjenigen zu bewahren, die den Dienst in den Spitälern versehen. Wenn Kranke aufgehoben werden müssen, gebe ein jeder sorgfältig acht, dass es möglichst vorsichtig geschehe ohne viel Aufregung, dass sie sofort, wenn sie aus dem Bett gehoben werden, gut bedeckt werden, damit sie sich nicht erkälten ... Wenn der Kranke vom Arzte aufgegeben ist, oder schon der Todeskampf beginnt, soll man sich alle mögliche Mühe geben, um ihm zu helfen, dass er gut sterbe.“ (R 34)
Den Armen achten wie Christus selbst
Kamillus verfügt, dass „während der „Wache“, sowohl bei Nacht wie bei Tage, soll ein jeder seinen Dienst eifrig und im Geiste der Liebe zu tun suchen, indem er besonders Acht hat auf die Schwerkranken, sie oft besucht und ihnen die Stärkungsmittel reicht, die vom Pfleger oder von einem anderen Vorgesetzten verordnet sind. Außerdem soll er ihnen freundlich und liebevoll alles geben, was sie nötig haben, und vor allem für ihre Seele besorgt sein, damit niemand sterbe ohne die „heilige Ölung“ (die Krankensalbung) und ohne den Beistand in der Sterbestunde.“ (R 35) „Mit größter Sorgfalt soll jeder sich hüten vor unhöflichem Benehmen im Verkehr mit den Kranken durch unfreundliche Worte oder dergleichen; vielmehr soll man ihnen mit Freundlichkeit und Liebe entgegenkommen und die Worte des Herrn beherzigen: Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan! Ein jeder soll deshalb den Armen achten wie die Person des Herrn selbst.“ (R 39) Kein Wunder, dass Kamillus zum Patron der Kranken, der Spitäler und der Helfer am Krankenbett geworden ist. Sein Weg zu einer sinnerfüllten Lebensgestaltung kann bis heute als Beispiel im eigenen Suchen nach dem richtigen Lebensmodell dienen.
[ zur Themenübersicht ] - nach oben - [ Aktuelles ] [ Neues auf den Seiten ] [ zur Seitenübersicht ]
© Kamillianer 2019