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Gott ist anders - und auch der Mensch soll es werden
Auf unserem Pilgerweg mit den geheimnisvollen Weisen aus dem Orient sind wir jetzt an der Stelle angelangt, die uns der Evangelist Matthäus so beschreibt: Und sie gingen in das Haus, über dem der Stern stehengeblieben war, und sahen das Kind und Maria, seine Mutter; da fielen sie nieder und beteten es an (vgl. Matthäus 2,11).
Der äußere Weg dieser Männer war zu Ende. Sie waren an ihrem Ziel. Aber an dieser Stelle beginnt für sie ein neuer Weg, eine innere Pilgerschaft, die ihr ganzes Leben ändert.
So mußten sie lernen, daß Gott anders ist, als wir ihn gewöhnlich uns vorstellen. Nun begann ihre innere Wanderung. Sie begann in dem Augenblick, in dem sie sich vor diesem Kind niederwarfen und es als den verheißenen König anerkannten. Aber diese freudigen Gesten mußten sie erst innerlich einholen. Sie mußten ihren Begriff von Macht, von Gott und vom Menschen ändern und darin sich selbst ändern. Sie sahen nun: Die Macht Gottes ist anders als die Macht der Mächtigen der Welt. Die Art, wie Gott wirkt, ist anders, als wir es uns ausdenken und ihm gerne vorschreiben möchten.
Gott stellt der lauten, auftrumpfenden Macht dieser Welt die wehrlose Macht der Liebe gegenüber, die am Kreuz - und dann in der Geschichte immer wieder - unterliegt und doch das Neue, das Göttliche ist, das nun dem Unrecht entgegentritt und Gottes Reich heraufführt. Gott ist anders - das erkennen sie nun. Und das bedeutet, daß sie nun selbst anders werden, Gottes Art erlernen müssen.
Sie waren gekommen, sich in den Dienst dieses Königs zu stellen, ihr Königtum nach dem Seinen auszurichten. Das war der Sinn ihrer Huldigungsgebärde, ihrer Anbetung. Zu ihr gehörten auch die Geschenke - Gold, Weihrauch, Myrrhe - Gaben, die man einem für göttlich angesehenen König spendete. Anbetung hat einen Inhalt, und zu ihr gehört auch eine Gabe. Die Männer aus dem Orient waren durchaus auf der richtigen Spur, als sie mit der Gebärde der Anbetung dieses Kind als ihren König anerkennen wollten, in dessen Dienst sie ihre Macht und ihre Möglichkeiten zu stellen gedachten. Sie wollten durch den Dienst für ihn und die Gefolgschaft mit ihm der Sache der Gerechtigkeit, des Guten in der Welt dienen. Und da hatten sie recht.
Lernen, sich selber zu geben
Nun lernen sie, daß sie sich selber geben müssen - kein geringeres Geschenk verlangt dieser König. Nun lernen sie, daß ihr Leben von der Weise geprägt sein muß, wie Gott Macht ausübt und wie Gott selber ist: Sie müssen Menschen der Wahrheit, des Rechts, der Güte, des Verzeihens, der Barmherzigkeit werden. Sie werden nicht mehr fragen, was bringt das für mich, sondern sie müssen nun fragen: Womit diene ich der Gegenwart Gottes in der Welt? Sie müssen lernen, sich zu verlieren und gerade so sich zu finden. Indem sie weggehen von Bethlehem, müssen sie auf der Spur des wahren Königs bleiben, in der Nachfolge Jesu ...
Papst Benedikt XVI.
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© Kamillianer 2005 -
[Stand: 22. 12. 2005]