Kamillianer
57. Generalkapitel
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Die erste kamillianische Gemeinschaft


Die 60 Teilnehmer des 57. Generalkapitels der Kamillianer kamen aus allen Teilen der Welt.

Ansprache von Pater Dr. Renato Salvatore beim Eröffnungsgottesdienst zum Generalkapitel in der Kirche St. Maria Magdalena in Rom am 3. Mai 2013

Wir befinden uns an einem für uns Kamillianer bedeutsamen Platz. Dies ist der Ort, an dem sich die sterblichen Überreste unseres heiligen Ordensgründers befinden. Ein Haus, das voll wichtiger Erinnerungen an die Geschichte unseres Ordens ist. Im Dezember 1586 sind unsere Mitbrüder in dieses Haus mit der damals noch kleinen Kirche der Maddalena eingezogen.

Die Idee, für einen besseren Dienst an den Kranken eine Gruppe „ehrenhafter Personen“ zu gründen, hatte Kamillus bereits seit vier Jahren. Aber die Beweggründe dafür sind bereits im Tag seiner Bekehrung zu suchen. Von diesem Tag an wurde er ein neuer Mensch: Er entschied, dass sein Leben ganz gottgeweiht sein sollte. Diese Entschlossenheit bleibt in ihm aufrecht, auch als die Fußwunde zu einem unüberwindlichen Hindernis geworden war, um bei den Kapuzinern bleiben zu können.

Auch die Idee, eine Gesellschaft von guten Menschen zu gründen, wäre wohl an den heftigen Widerständen gescheitert. Doch durch den Gekreuzigten – zu dem er eine innige und anhaltende Beziehung hatte – wurde er „ermutigt und getröstet“ mit Worten, die wie Feuer im Herzen unseres Gründers eingeschrieben bleiben: „Geh mutig voran, ohne Furcht, denn dies ist mein Werk und nicht das deine!“ Dieses Kruzifix, das seine Arme nach ihm ausbreitete, befindet sich noch in diesem Haus, in der Nähe des Herzens unseres Gründers. Es spendet unserem Orden weiterhin viel Kraft und Ermutigung, damit wir dieses göttliche Werk fortsetzen. Und so, auf ausdrücklichen Wunsch Gottes, entsteht die kamillianische Gemeinschaft.

Tritt man in dieses Haus ein, belebt sich willkürlich unsere Fantasie, gleichsam als hätte sie den Wunsch – wie etwa in einem Dokumentarfilm – zu sehen, was hier Kamillus und seine ersten Gefährten gemacht haben. Auch wenn die verschiedenen Berichte sicher nicht vollständig überliefert sind, helfen sie zu verstehen, wie diese erste kamillianische Gemeinschaft die Nächstenliebe gegenüber den Armen und Kranken verwirklicht hat; mit ihren spezifischen Qualitäten, die sie von den anderen Gemeinschaften in Rom unterschied. Um die Eigenschaften dieser Gemeinschaft nachzuzeichnen, stütze ich mich auf die Studien des verstorbenen Generaloberen Pater Calisto Vendrame.

Was war das für eine Gemeinschaft?

Und während der Epidemien – wie wir wissen – wurde das Haus in ein Hospiz für Kranke umgewandelt.

„Die Erde aufgraben, um die Armen und Kranken zu finden …“

So können wir uns diese Gemeinschaft vorstellen. Gewiss, auch damals mangelte es nicht an inneren und äußeren Schwierigkeiten, aber man setzte sich mit ihnen auseinander und überwand sie, denn unsere Mitbrüder waren von einer unsagbaren Leidenschaft für Christus und für die leidende Menschheit motiviert. Eine Sehnsucht hatten alle gemeinsam: das Privileg zu haben, beim Beistand der Kranken zu sterben! Wir alle wissen gut, dass, wenn in den hitzigsten Diskussionen – oben im ersten Stock, im Kapitelsaal – die Nachricht von einer Epidemie ankam, man wetteiferte und sich vor die Füße von Pater Kamillus warf, um die Gnade zu erhalten an diesem „Fest der Nächstenliebe“ teilnehmen zu dürfen: Wie viele von ihnen haben, mit der Hingabe ihres Lebens Seiten einer heroischen und erbaulichen Nächstenliebe geschrieben!

Zeugen außergewöhnlicher Vorkommnisse

In diesem Haus waren unsere Mitbrüder Zeugen außergewöhnlicher Vorkommnisse: wie etwa zahlreiche Hilfen der Vorsehung und der Wunder, die Kamillus gewirkt hat. Man beobachtete ihn, wie er unaufhaltsam, vorbildhaft und mütterlich handelte für die Armen und Kranken; selbstvergessen und vertieft in der Vereinigung mit Gott. Und manchmal auch, in dem einen oder anderen Fall, hingerissen in der Ekstase. Wie es in diesem Haus der Fall war: Der Beauftragte, der die Ordensleute wecken sollte, ging zur frühen Stunde am Zimmer des Kamillus vorbei. Er sah ein Licht, das aus dem Zimmer kam, blickte aufmerksam in das Zimmer und sah den Pater beim Gebet über dem Boden schwebend.

In der „Formula di vita“ finden wir folgende Ermahnung: „Wenn jemand von Gott dem Herrn erleuchtet, die Werke der Barmherzigkeit ausüben will …, dann soll er wissen, dass er allen Angelegenheiten der Welt gestorben sein soll – das heißt, den Verwandten, den Freunden, den Dingen und sich selbst, um einzig und allein für Jesus Christus zu leben.“ Und etwas weiter wird derselbe Gedanke wiederholt: „Ein jeder, der in unseren Orden eintreten will, soll wissen, dass er sich selbst gestorben sein soll …, und er soll alles nach dem Gefallen des Willen Gottes verrichten.“ Diese Ordensleute konnten daher gut mit dem hl. Paulus sagen: In mir lebt nicht mehr der alte, fleischliche Mensch. Dieser Mensch ist gestorben; jetzt lebe ich in Christus. Ein jeder hatte eine positive Antwort auf die Frage Jesu gegeben: „Liebst du mich mehr als die anderen? Habe ich den ersten Platz in deinem Herzen?“ Und diese ungeteilte Liebe zu Jesus Christus ermöglichte es ihnen, die Werke der geistlichen und leiblichen Barmherzigkeit gegenüber den Kranken täglich in einer unglaublichen heroischen Weise auszuüben. Und so ist das auch heute für uns: Unser Dienst an den Kranken ist vor allem „eine liebevolle Antwort auf die Liebe Gottes“. Alle anderen Motivationen würden ungenügend, wenn nicht sogar negativ sein.

Es ist diese gemeinsame Einheit mit dem einzigen Weinstock, der der Herr ist, die es den Mitgliedern einer Gemeinschaft möglich macht, solche Beziehungen aufzubauen, die brüderlich sind, und einen gemeinschaftlichen Dienst auszuführen, der durch die Barmherzigkeit gegenüber den Letzten gekennzeichnet ist.

Wir sind dazu gerufen, kontemplativ und tätig zu sein, so wie es unser Gründer war. Kamillus ermahnte sehr oft zum Gebet, zur Vereinigung mit Gott. Er wiederholte: „Man muss immer beten und nicht dabei müde werden. Wehe dem Ordensmann, der sich mit einer Stunde des Gebetes am Morgen begnügt und dann während des Restes des Tages zerstreut ist mit seinem Geist. Dieser wird dann am Abend wie jemand sein, der die Hände voller Fliegen und Wind hat.“

Sein mit Christus

Sein mit Christus und zu Christus gehören, ist unsere wahre Notwendigkeit und daher unsere erste Pflicht, die wir erfüllen müssen, damit wir spirituell am Leben bleiben und unser Dienst fruchtbar ist. Der selige Johannes Paul II. erinnerte daran: „Eine ständige Gefahr für die apostolisch Tätigen besteht darin, sich derartig von der eigenen Tätigkeit für den Herrn einnehmen zu lassen, dass sie darüber den Herrn jeder Tätigkeit vergessen.“ Das Fehlen einer Vereinigung mit dem Herrn macht uns derartig arm, dass wir unfähig werden, ein brüderliches Gemeinschaftsleben aufzubauen wie auch sich den anderen zu schenken. Das Fehlen der Liebe zu Gott in uns bewirkt ein außerordentliches Wachstum des Egoismus. Dieser ist leider ein mächtiger und schrecklicher Mechanismus, der bewirkt, dass alle Menschen, mit denen man in Kontakt tritt, als Objekte betrachtet werden, die zu benützen sind, um unsere destruktiven Ziele zu erreichen.

Kamillus erkannte das barmherzige Angesicht Gottes, insbesondere des gekreuzigten Jesus. In ihm findet er das konkrete Zeichen der rettenden Liebe des Vaters. Christus muss wiedergeliebt werden durch die totale Hingabe an die armen Kranken, in denen er anwesend ist. Dies ist aber nur möglich als Konsequenz einer totalen Gleichformung mit Christus selbst. Wenn man nicht in einer innigen Vereinigung mit Christus lebt – dem zentralen Orientierungspunkt unseres ganzen Lebens –, wird niemals ein wahrer Dienst an den Mitbrüdern und an den Kranken möglich sein.

Wie Christus sich erniedrigt hat, um das Schicksal des Menschen zu teilen, so muss auch der Kamillianer hinabsteigen in die tiefsten Umstände des Leidens und der Krankheit: Hier verwirklicht er in Fülle seine Identität, indem er den abwärtsführenden Weg von Christus nachgeht. Der Kamillianer verkündigt nicht nur die Worte und Taten Christi, sondern verwirklicht auch eine Lebenssituation, die derjenigen von Christus nahe ist. Wie er sich entäußert hat, so tut dies auch der Kamillianer, indem er ein Knecht aller wird, im Besonderen der Leidenden.

Jene erste Kommunität war zusammengesetzt von Menschen, die durch ein vertieftes geistliches Leben fähig geworden waren, das Angesicht Christi zu betrachten: In diesem erblickten sie das Bild des Nächsten. Und so wurde es für sie leicht, das Angesicht Christi in den Mitmenschen und in den armen Kranken zu sehen. Deshalb nimmt die Gemeinschaft die Armen, die Kranken, die jungen, berufenen Menschen und die Laien guten Willens an und bietet ihnen einen materiellen und geistlichen Raum.

Wir bitten daher unseren geliebten Gründer und alle unsere ersten Mitbrüder, dass wir ihre totale Weihe an Gott, ihren Einsatz für den Aufbau einer brüderlichen Gemeinschaft und ihre Hingabe für den kompletten Dienst an den Kranken nachahmen können.


Kapitelteilnehmer im brüderlichen Gespräch mit dem Präfekten der römischen Ordenskongregation, Kardinal João Braz de Avis.

© Kamillianer 2013 - 06.06.2013 [Stand: 25.06.2013]zurück     nach oben